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Kreuzberger Schichten (2014, 2016-2017)

Was haben meine Großeltern gemacht, als sie so alt waren wie ich? Wo haben meine Eltern mit ihren Freunden abgehangen? Wie sahen die Partys damals aus? In welcher Stadt war das? Nach Antworten auf diese Fragen suchten Schüler*innen der Hector-Peterson-Schule, deren Familien aus der ganzen Welt nach Kreuzberg gekommen sind. Die Jugendlichen lernten von den Medienprofis Julia Illmer und Massimo Maio, wie man ein Interview führt, schneidet und einen Track daraus baut. Die kleinen Hörstücke, die so entstehen, wurden im Kiez verortet, indem die Familien heute zu Hause sind. 

Idee: Julia Illmer
Konzept und Realisation: Julia Illmer und Massimo Maio

Kreuzberger Schichten wird im Rahmen des Programmes Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von MeinLand – Zeit für Zukunft von der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

2017 wurde das Projekt Kreuzberger Schichten mit dem Medienpreis von „MeinLand – Zeit für Zukunft“ in der Kategorie Partizipation ausgezeichnet.

Mehr Infos zur Preisverleihung:
http://www.tgd.de/2017/09/12/abschlussveranstaltung-ml-08-09-17-teil-ii-die-gala/

Für den Einspieler der Preisverleihung hier klicken.

Bericht über den Zyklus 2014

Tag 8
Donnerstag, 30.10.2014

Wir sind in den letzten zwei Wochen ganz schön zusammengewachsen. Heute, am letzten Projekttag, haben wir volle 10 Stunden miteinander verbracht, von früh bis spät. Wir hatten auch einiges vor: Die Hörstücke sollten fertig werden und sie sollten richtig gut klingen, denn wir hatten eingeladen zur Premiere unseres Audiowalks KREUZBERGER SCHICHTEN.

Um die Arbeit der letzten Tage noch mal zu veredeln sind wir heute in das Studio unseres Tontechniker Kris Limbach gefahren. Jeder durfte dabei mal auf dem Regisseurstuhl vor den großen Lautsprechern Platz nehmen und ganz professionell seine eigene Stücke mastern. 

Besonders beliebt im Studio war die Sprecherkabine mit den genoppten Schaumstoffwänden. Hier haben wir dann auch das letzte Stück unseres Audiowalks aufgenommen: den Abspann mit allen Namen.

Und zwei Stunden später dann die Premiere mit großem, lautem Ghettoblaster. Zusammen mit unseren Gästen sind wir durch den Kiez spaziert und haben alle Stücke gehört, die wir in den letzten zwei Wochen gesammelt haben: all die Geschichten von hier und aus der Ferne, die vielen Bezüge unserer Familien in die ganze Welt, die alle hier in der Stadt zusammenlaufen – die unzähligen Kreuzberger Heimatschichten.

Tag 7
Mittwoch, 29.10.2014
Geschrieben von Julia Illmer

Jeden Morgen bringt jemand einen neuen akustischen Schatz mit.

Heute hat uns Görkem vorgespielt, wie es klingt, wenn seine Großfamilie zum Kuchen essen zu Besuch ist. Wir haben gehört, wie laut es auf Mehdis Heimweg im Bus gestern war und wie leise dagegen Emres Hinterhof ist.
Nach diesem gemeinsamen Eintauchen in Atmos, wurde es plötzlich ganz still.

Mit Kopfhörern auf den Ohren hat jeder seine Hörstücke fertig geschnitten und sie schließlich exportiert, damit wir ihnen morgen den letzten Schliff verpassen können …

Tag 6
Dienstag, 28.10.2014
Geschrieben von Massimo Maio
So still wie heute war es selten in unserem Projektraum. Mittlerweile weiß jeder, was zu tun ist: aus den vielen Interviews mit Müttern, Vätern und Geschwistern die spannendsten Geschichten rausholen. Alles Wichtige findet also unter Kopfhörern statt.

Die haben wir nur zur Mittagspause abgenommen – für einen Spaziergang durch Kreuzberg. Wir waren auf der Suche nach Orten, die zu den Themen unserer Interviews passen.

Auf dem Spreewaldplatz haben wir ein kleines Smartphone-Denkmal gefunden – passt das vielleicht zum Interview über den alten Fernseher damals in der Türkei?

Im Görlitzer Park waren sich jedenfalls alle einig: bei Nacht kein geeignetes Ziel für einen Ausflug, aber bei Sonnenschein wie heute ein perfekter Ort, um viele Interviews zu hören.

Welche genau, wird in den nächsten Tagen entschieden.

Tag 5
Montag, 27.10.2014
Geschrieben von Julia Illmer
Heute haben wir unsere Interviews genau unter die Lupe genommen und die interessantesten Stellen herausgepickt.
Zu hören ist, wie es war, in der Schule in Serbien bestraft zu werden, mit Ärmeren in der Türkei zu teilen oder nach der Schule im Libanon zu kicken.
Das sind einige der Highlights aus den Interviews mit Menschen aus unseren Familien über das Leben an einem anderen Ort.
Was das mit unserem Leben heute in Kreuzberg zu tun hat, haben wir uns auf einem Spaziergang durch den Bezirk gefragt, indem wir die Interviewstellen bestimmten Orten im Kiez zugeordnet haben.

Tag 4
Freitag, 24.10.2014
Geschrieben von Massimo Maio

Die Interviews und Geschichten der letzten Tage sind heute zum ersten Mal aus dem Mikrofon in den Computer gewandert.
In den Schnittprogrammen wurden die Töne plötzlich sichtbar und vor allem kürzbar.

Welche Stellen sind interessant, auf welche kann man verzichten?

Wie kann man verschiedene Interviews miteinander verzahnen?

Und wieso klingt die eigene Stimme aus Lautsprechern immer so komisch?
Die Papierkörbe unserer Arbeitslaptops sind jedenfalls prall gefüllt mit Ähms und Öhms und Versprechern.

Am Nachmittag dann wieder die Mikrofone ausgepackt und durch Kreuzberg gelaufen. Gegenseitige Interviews zu vertrauten Orten – und sehr viel neues Material für den Computer. Montag schneiden wir weiter!
 

Tag 3
Donnerstag, 23.10.2014
Geschrieben von Julia Illmer
 

Die ersten Interviews sind da!
Dila hat ihren Vater nach seinem Leben in der Türkei gefragt und erfahren, welche technischen Geräte es damals gab und dass er in der Türkei mal in einer Wohnung mit 15 Zimmern gelebt hat.

Den Tag haben wir genutzt, um mehr aufzunehmen.

Dila hat ihr zweites Interview mit Justyna von Expedition Metropolis geführt, die aus Polen kommt. Nazzal hat sich auf den Weg gemacht, um eine Mitarbeiterin des Quartiersmanagements am Mehringplatz zu ihrer Heimat zu interviewen. Außerdem haben wir heute eine Grenze überschritten, nämlich die von Kreuzberg nach Neuköln, und diese Grenzüberschreitung live kommentiert – überraschend real klingt das Ergebnis dank Originalkopfmikrofonen.

Tag 2
Mittwoch, 22.10.2014
Geschrieben von Massimo Maio

Wie sah Deine Schule aus?

Was war Dein Lieblingsessen?
Hast Du schon mal ein Tier geopfert?

Gestern hatten wir bereits herausgefunden, dass alle Teilnehmer familiäre Bezüge in die Ferne haben – nach ganz Europa und darüber hinaus. Heute haben wir herausgefunden, dass wir oft nur sehr wenig über den Alltag in dieser Ferne wissen. Doch wir sind neugierig: Knapp 30 Fragen haben wir gesammelt, für uns nahestehende Kreuzberger, die schon mal woanders gelebt haben.
Unser Tontechniker Kris Limbach hat uns heute außerdem erklärt, wie man die Mikrofone benutzt – zum Fragen stellen und Geräusche aufnehmen. Die erste Aufgabe war: Jeder lässt fünf Minuten das Mikrofon laufen und nimmt auf, was ihm in die Quere kommt, Kaffeetassen, Plastiktüten und Klospülungen. Ab jetzt können die Interviews beginnen!

Tag 1
Dienstag, 21.10.2014  
Geschrieben von Julia Illmer

 „Tschuesch“ (wer nicht weiß, was das bedeutet, findet hier unter Extras eine wunderbare Erklärung: www.kidsberlinkreuzberg.de), meint Nazzal, als ich ankündige, dass wir etwa eine Stunde von der Hector-Peterson-Schule zu Expedition Metropolis laufen werden.  Die 3,5 Kilometer zu Fuß bewältigen dann aber doch alle Teilnehmer. Vielleicht auch, weil es ein besonderer Spaziergang ist. Beim Laufen hören wir elektronische Musik, klassische Musik, ein Interview, Atmo und ein Mini-Hörspiel und beobachten, wie das Gehörte unsere Wahrnehmung der Umgebung beeinflusst.

Nach einer Pause sitzen wir um den großen Tisch in unserem Kreuzberger Projektraum. Wir haben alle einen Bezug zu Kreuzberg. Wir gehen hier zur Schule oder leben hier. In Kreuzberg kennen wir uns aus. Wir fragen uns, zu welchen anderen Orten in anderen Ländern wir einen Bezug haben und erstellen in Google Maps eine Route, die alle „unsere“ Orte miteinander verbindet.  Akustisch werden wir diese Orte in anderen Teilen Europas und in Asien in den nächsten Tagen nach Kreuzberg holen.

Kreuzberger Schichten wird im Rahmen des Programmes Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von MeinLand – Zeit für Zukunft von der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

Bericht über den Zyklus 2016

Tag 1 // Samstag, 12.03.2016
geschrieben von Massimo Maio

8000km – so schätzten einige der Teilnehmer heute die Entfernung zwischen Berlin und der Türkei, zwischen uns hier und den Onkels und Tanten dort. Wir haben nachgeschaut, es sind nur ca.2500km.
Aber wir haben festgestellt: Würden wir alle Heimatstädte unserer Familien miteinander verbinden, wären wir weit über 8000km lang unterwegs. Von Berlin über Serbien und Italien, die Türkei und Syrien bis in den Jemen. Das ist die Route unserer Familiengeschichten, die wir in den nächsten Tagen durch Interviews näher erkunden wollen.

Vorher haben wir noch einen kleinen Spaziergang durch unser vertrautes Kreuzberg gemacht – und dabei über Kopfhörer verschiedene Stimmen, Musiken und Geräusche gehört. Wie ändert sich der Blick auf die vertraute Stadt, wenn man dabei fremde Geschichten hört? In den nächsten zwei Wochen werden wir darauf einige neue Antworten finden.

Tag 2 // Sonntag, 13.03.2016
geschrieben von Julia Illmer

Nicht nur die Teilnehmer, sondern auch Steine scheinen ihren eigenen Charakter zu haben. Gut ein Dutzend Steine lassen wir am Morgen nacheinander auf die Erde fallen und lauschen dem Klang, den sie dabei machen. Wir sortieren sie so, dass sie eine Tonleiter bilden.
Dann sehen wir uns auf Youtube Interviews an und fragen uns anschließend, wen wir in den nächsten Tagen interviewen wollen. Mit dabei ist eine Großmutter aus der Türkei, eine Tante aus Serbien und ein Bruder aus Syrien. Wir überlegen uns gemeinsam die Fragen, die wir diesen Personen stellen wollen. Um die Interview auch aufnehmen zu können, lernen wir zum Schluss noch die Aufnahmegeräte kennen.

Tag 3 // Sonntag, 20.03.2016
geschrieben von Massimo Maio

Der Tag beginnt mit konzentriertem Zuhören, denn die ersten Interviews sind da. Wir hören eine Schwester, die davon erzählt, wie sie ihre alten Freunde in Syrien vermisst und wie wohl sie sich gleichzeitig in Berlin fühlt. Sie ist erst seit drei Monaten in Deutschland und wir alle sind erstaunt, wie fehlerfrei ihre deutsche Aussprache ist.

Am Nachmittag überlegen wir uns neue Fragen. Was war eigentlich die erste Arbeit von Oma, als sie von der Türkei nach Deutschland gekommen ist? Wieso ist sie wieder zurück in die Türkei gezogen? Und was ist der größte Unterschied zwischen Kairo und Berlin?

Die Aufnahmegeräte sind wieder geladen und die Fragen ausgedruckt. Morgen hören wir wieder neue Geschichten.

Tag 4 // Montag, 21.03.2016
geschrieben von Julia Illmer

Osman hat heute nicht nur sehr leckere selbst gebackene Muffins mitgebracht, sondern auch Interviews mit seiner Tante und seiner Großtante. Die Aufnahmen sind auf türkisch und da nur die Hälfte der Teilnehmer sie versteht, übersetzten sie hinterher für die anderen die wichtigsten Antworten. Jetzt wollen wir unsere Interviews im Schnittprogramm Audacity bearbeiten. Nach einer Einführung legt jeder an seinem Laptop los und zerlegt die Interviews in spannende kleine Ausschnitte. Wir beenden den Tag mit einem Gespräch darüber, was Heimat eigentlich für uns bedeutet: Welchen Bezug haben wir zu den Orten, von denen unsere Tanten, Großtanten, Väter, Mütter oder Großeltern herkommen?

Tag 5 // Dienstag, 22.03.2016
geschrieben von Massimo Maio

„Wann gehen wir zurück ins Studio?“ fragt Dila in der Mittagspause. Gefühlt ist unser Projektraum schon längst ein Radiostudio, in dem jeder an seinem Schnittplatz sitzt und sein Interview zurecht feilt. Für die Mittagspause haben wir unsere Kopfhörerwelt heute aber verlassen und einen Spaziergang durch den Kiez gemacht. Gibt es Orte, an denen es besonders spannend wäre, mein Interview zu hören? Mit dieser Frage im Kopf sind wir durch die Straßen gelaufen und haben uns verschiedene Ecken gemerkt: Ein alter Hauseingang passt zu einem Interview zum Thema Armut, der Kanal zur Fluchtgeschichte übers Mittelmeer oder das Restaurant Grillhaus zur Kochleidenschaft der Tante. Die ersten Ideen also für unseren Hörspaziergang am Freitag.

Tag 6 // Mittwoch, 23.03.2016
geschrieben von Julia Illmer

Heute morgen erfahren wir durch Dilas Interview, wie ihre Oma damals nach Deutschland kam, um bei Mercedes in der Montage anzufangen. Auf der Aufnahme ist im Hintergrund der Fernseher zu hören und wie jemand genüsslich Sonnenblumenkerne knackt. Später ist es auch Dila, der einfällt, dass ja heute Mittwoch, also Manti-Tag beim Orient-Eck am Kottbusser Tor ist. Guter Tipp! Der Imbiss-Verkäufer wünscht uns zum Abschied ein „Frohes Fest!“, doch bei uns stehen erstmal noch zwei Projekttage an. Bis zum Nachmittag haben alle Teilnehmer geschafft, zwei bis drei kurze Ausschnitte aus ihren Interviews herauszuschneiden und als Wav.-Dateien zu exportieren.

Tag 7 // Donnerstag, 24.03.2016
geschrieben von Massimo

Noch ein Tag bis zur Premiere unseres Hörspaziergangs. Wir gehen noch mal alle Interviewausschnitte durch und überlegen gemeinsam, wo genau wir die Stücke auf unserer Tour hören wollen. Sobald die Route steht, machen wir einen kleinen Ausflug – nach Mitte, eine Gegend, die kaum jemand aus der Gruppe kennt. Wir erkunden die Straßen rund um den Hackeschen Markt mit Geschichten auf unseren Kopfhörern. Wie sah es hier zur Zeit des Nationalsozialismus aus? Und wie ist es heute für Schüler, die jeden Tag an der Polizei vorbei auf ein umzäuntes jüdisches Gymnasium gehen? Die Audiogeschichten füllen die kalten Straßen mit Leben und inspirieren uns zu immer neuen Fragen. Genau so, wie wir uns das auch morgen bei unserem eigenen Hörspaziergang wünschen.

Tag 8 // Freitag, 25.03.2016
geschrieben von Julia Illmer

Heute geht es darum, unseren Interview-Ausschnitten den letzten Schliff zu verpassen und zu jedem Stück eine Anmoderation einzusprechen. Dazu fahren wir ins Tonstudio und bekommen professionelle Hilfe von unserem Tontechniker Kris Limbach. Am Nachmittag tragen wir auf einem USB-Stick 15 perfekt klingende Stücke zurück in die Ohlauer Straße in unseren Projektraum, wo wir ab 17 Uhr Gäste zu unserer Premiere erwarten. Gemeinsam mit ihnen machen wir einen Spaziergang durch den Kiez und hören an verschiedenen Orten unsere Stücke: Die Worte von Gabrielas Tante zum Thema Armut tönen aus einem Treppeneingang, das Lieblingsrezept von Osmans Tante hören wir vor einem Restaurant und was Abdallah über Frieden zu sagen hat, spielen wir vor dem Anti-Rassismus-Späti in der Reichenberger Straße. Auf der Hollywoodschaukel im Hof von Expedition Metropolis gibt es schließlich noch einen ganz besonderen Bonus-Track: Rihannas „Diamonds in the Sky“, gesungen von Gabriela und Nada. Ein sehr schöner Abschluss eines noch schöneren Projektes!

Den Audiowalk zum Nachhören gibt es auf der Soundmap unseres Partners Radio Aporee (Link: http://aporee.org/mfm/web/).

Kreuzberger Schichten wird im Rahmen des Programmes Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von MeinLand – Zeit für Zukunft von der Türkischen Gemeinde in Deutschland.

Bericht über den Zyklus 2017

Tag 1 // Dienstag, den 24.10.2017
geschrieben von Julia Illmer

Was hört man mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn man durch Kreuzberg läuft, fragen wir und bekommen viele Antworten: Vogelgezwitscher, Musik aus einem Auto, die U-Bahn … Tatsächlich hören wir fast alle Geräusche als wir von der Hector-Peterson-Schule entlang des Landwehrkanals zu unserem Projektraum bei Expedition Metropolis laufen. Dabei hören wir nicht nur Umgebungsgeräusche, sondern auch Musik, ein Interview und eine OKM-Aufnahme mit Kopfhörern. Wir achten darauf, wie das Hören unsere Wahrnehmung verändert.
Später zeigen wir uns auf Google Maps, wo auf der Welt unsere Familienwurzeln liegen. Der Ort, der am weitesten weg ist, ist Brikama – die zweitgrößte Stadt Gambias.

Tag 2 // Mittwoch, den 25.10.2017
geschrieben von Massimo Maio
 
Was unterscheidet ein gutes Interview von einem schlechten? Den ganzen Vormittag haben wir dazu Übungen gemacht und uns Beispiele angehört. Bis sich alle einig waren: Gute Interviews entstehen dann, wenn wir neugierig sind und immer wieder nachfragen. So können sich persönliche und spannende Geschichten entwickeln.
 
Zur Vorbereitung auf die ersten Interviews in der Familie haben wir uns anschließend dutzende Fragen ausgedacht. Warst du früher in der Schule beliebt? Was war das schlimmste, was du in deinem Leben erlebt hast? Wieso hast du Mama geheiratet?
 
Die Fragen sind notiert, die Mikrofone sind vorbereitet. Die ersten Geschichten können kommen!

Tag 3 // Donnerstag, den 26.10.2017
geschrieben von Julia Illmer

Das erste Interview ist da! Nico hat seine Mutter interviewt. Hier ein kleiner Auszug:
 
Nico: Was ist dir am wichtigsten im Leben?
Mutter: Meine Kinder.
Nico: Und was noch?
Mutter: Lange Zeit nichts – und dann: mein Auto.
 
Das gemeinsame Hören inspiriert uns, am Vormittag weitere Interviewfragen zu entwickeln. Am Nachmittag befragen wir uns gegenseitig zu dem Ort, an dem wir leben und unserem Bezug zu den Wurzeln unserer Familien.

Tag 4 // Freitag, den 27.10.2017
geschrieben von Massimo Maio
 
Heute morgen waren alle still, als wir das Interview von Ayat mit ihrem Vater gehört haben. Er hat erzählt, wie sein Schulunterricht im Irak ständig von Bomben unterbrochen worden ist. Er ist geflohen, als Jugendlicher 200km zu Fuß durch die Wüste bis in den Iran. Aufgefallen ist uns auch, dass er trotz jahrelanger Kriegserfahrung eine sehr freundliche und warmherzige Stimme hat.
 
Am Nachmittag haben wir dann zum ersten Mal die Computer ausgepackt und das Schnittprogramm ausprobiert: „Audacity“ (Übersetzungsvorschläge waren „Hörstadt“, „Raus aus der Stadt“ und – offiziell richtig – „Kühnheit“). Die ersten Interviews sind bereits importiert – ab Montag werden wir Geschichten schneiden.

Tag 5 // Montag, den 30.10.2017
geschrieben von Julia Illmer

Warum es im Libanon Krieg gab, fragt Fatima ihren Vater. Er weiß es selbst nicht, sagt er. Doch es war das Schlimmste, was ihm in seinem Leben passiert ist. Neben Fatima haben auch Baraa und Damon heute Interviews dabei, die wir uns in der Gruppe anhören. Anschließend verschwinden alle wieder unter ihren Kopfhörern und schneiden weiter. Heute besuchen uns auch zwei alte Teilnehmer: Ayman und Abdallah. Cora und Laura sind neugierig und interviewen die beiden zu ihren Lebensgeschichten.

Tag 6 // Dienstag, den 31.10.2017
geschrieben von Julia Illmer

Während der letzten Tage haben wir viele Geschichten in unseren Familien gesammelt. Sie handeln vom Aufwachsen in Neukölln, vom Krieg im Libanon oder vom Urlaub in Spanien. Heute haben wir uns gefragt, was diese Geschichten mit dem Hier und Jetzt in Kreuzberg zu tun. Wir sind gemeinsam durch Kreuzberg spaziert und haben nach Orten gesucht, die besonders gut zu den Interviews passen.
Am Ende des Tages haben alle zufrieden ihre Laptops zugeklappt. Jeder hat nun die besten zwei Minuten aus seinem Interview herausgeschnitten.

Tag 7 // Mittwoch, den 1.11.2017
geschrieben von Massimo Maio

Was kann man mit fertig geschnittenen Interviews und Hörspielen eigentlich alles anfangen? Heute haben wir unsere Audiowerkstatt für einen Tag verlassen und sind auf Hör- und Stadterkundungstour gegangen.
 
Am Potsdamer Platz haben wir uns ein Hörspiel zum Mitlaufen angehört, einen Audiowalk. Wir haben Kopfhörer aufgesetzt und haben einer Geschichte gelauscht, die am Potsdamer Platz spielt. Die Menschen im Einkaufszentrum wurden zu Figuren in unserer Geschichte, aus den ganz normalen Alltagsgeräusche wurden wichtige Details.
 
Wir haben den Potsdamer Platz ganz neu entdeckt, nur durch das Hören eines passenden Audiowalks. Was wird wohl mit Kreuzberg passieren, wenn wir dort unsere eigenen Audiogeschichten hören? Das werden wir morgen bei unserer Premiere der Kreuzberger Schichten erfahren! 

Tag 8 // Donnerstag, den 2.11.2017
geschrieben von Julia Illmer

Heute verpassen wir unseren Interviews im Tonstudio den letzten Feinschliff. Wir filtern störende Hintergrundgeräusche heraus, kürzen zu lange Pausen und jeder spricht einen Satz im Tonstudio ein. Jetzt heißt es nur noch warten, bis unsere Gäste zur Premiere kommen.

Um 17 Uhr sind alle da – unser Audiowalk beginnt. Wir laufen gemeinsam durch den Kiez rund um unseren Projektraum und hören an verschiedenen Orten unsere Interviews: Die Geschichte von Damons Stiefvater, der Security-Fachkraft ist, vor einer bewachten Flüchtlingsunterkunft, die Geschichte von Fatimas Vater über den Krieg im Libanon vor einer zerstörten Wand.

Den Audiowalk zum Nachhören gibt es auf der Soundmap unseres Partners Radio Aporee.
Link: aporee.org/mfm/web/

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